Wissenschaftliche Diskussionen sind
wie Seereisen

Das letzte Advisory Board war ok, aber Professor Müller konnte sich am Ende doch keinem Konsens anschließen? Welches Format eignet sich für welches Thema, um mit Ärzt:innen zu diskutieren? Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Praxis in einer bestimmten Indikation mal wieder neue Impulse bekommen?

Es gibt viele Gründe, medizinische Diskussionsrunden einzuberufen. Doch Untiefen und stürmische See erfordern gute Routen und sichere Steuerung. Unsere Trainee Laura Weiand war neugierig, und Geschäftsführerin Anke Westerhoff hat sich ihren Fragen gestellt.

Laura: Anke, was macht für dich als Moderatorin den Erfolg einer wissenschaftlichen Diskussionsrunde aus?

Anke: Ganz unmittelbar: Wenn alle Teilnehmer:innen sich wohlgefühlt haben, wenn alle Meinungen und Beiträge ausreichend gewürdigt worden sind, wenn alle Beteiligten finden, sie hätten ihre Zeit sinnvoll verbracht. Auch müssen die inhaltlichen Ziele erreicht worden sein. Galt es, einen wissenschaftlichen Konsens zu erzielen? Wollten wir überprüfen, inwieweit eine Marketingstrategie aus ärztlicher Sicht mitgetragen werden kann? Ging es um eine Ideensammlung zu mehr intersektoraler Zusammenarbeit, oder wollten wir ein paar potenzielle Meinungsbildner:innen einfach mal persönlich kennenlernen? Erst wenn meine Kund:innen und ich auf dieser Meta-Ebene zufrieden sind, ist das Ganze wirklich gelungen.

Das klingt, als gäbe es bei solchen Treffen eine „hidden agenda“.

So würde ich das nicht nennen. Aber wenn ich bloß ein Kaffeekränzchen aus Tradition veranstalte, vergebe ich nicht nur tolle Chancen, sondern verbrenne auch Geld. Das, was so generalisiert „Meinungsbildnerpflege“ genannt wird, lässt sich mit Analyse und strategischer Zielsetzung häufig mit einem hohem Mehrwert versehen. Und mit weniger Aufwand, als man denken mag.

Und da machen die ärztlichen Teilnehmer:innen mit?

In der Regel gibt es eine Interessenkongruenz zwischen einladendem Unternehmen und den teilnehmenden Healthcare Professionals (HCP) – Leitlinien auszulegen oder Studienergebnisse zu diskutieren, über eine verbesserte interdisziplinäre Zusammenarbeit nachzudenken … das sind alles Dinge, die beispielsweise für Ärzt:innen hochspannend sind. Und je besser ich die Themen, die für ein Unternehmen interessant sind, auf eine medizinische Sichtweise zuschneide, desto mehr Insights bekomme ich.

Du hast bereits das Kaffeekränzchen erwähnt. Welche Fehler werden noch gemacht?

Es gibt so ein paar klassische Fallstricke. Man fragt hochkarätige Wissenschaftler:innen nicht, ob ihnen diese oder jene Anzeige gefällt. Bei allem Respekt vor ärztlichem Wissen: Das ist ein Fall für die Marktforschung. Auch würde ich eine unternehmerische Entscheidung nicht in so einem Gremium zur Disposition stellen. Sinnvoller ist es, das Für und Wider eines Plans oder die Folgen einer Entscheidung dezidiert aus medizinischer Sicht zu beleuchten bzw. beleuchten zu lassen.

Das ist eine komplexe Aufgabe. Wie stellst Du sicher, dass alle Beteiligten mitmachen?

Transparenz ist hier ein wichtiger Punkt. Ich kommuniziere sehr klar, dass wir von der medizinischen Kompetenz der eingeladenen HCP profitieren möchten. Damit fühlen sich die meisten sehr wohl. Umgekehrt lege ich Wert darauf, dass Vertrauen auf Gegenseitigkeit entsteht und die einladenden Unternehmen ihrerseits einen Schulterblick erlauben. Die sind dann manchmal überrascht, wie interessant Neuigkeiten aus ihrem Alltag für Ärzt:innen sind!

Häufig haben unsere Kund:innen schon feste Vorstellungen, wer alles teilnehmen soll. Und manchmal auch gar nicht. Wie ist da Deine Empfehlung?

Wer welche wissenschaftlichen oder medizinischen Teilgebiete abdecken kann, ist meistens schnell klar. Dann sollte überlegt werden, wie groß die Spanne unterschiedlicher Meinungen sein sollte. Natürlich will niemand lahme Einigkeit oder Abnickerei – aber es sollte schon grundsätzlich möglich sein, zumindest eine Schnittmenge gemeinsamer Ansichten festzuhalten. Und dort, wo ein Dissenz bleibt, sollten auch Perspektiven für eine zukünftige Diskussion möglich sein. Außerdem sollte auf eine gewisse Diversität der Teilnehmer:innen geachtet werden – die Zeit der reinen Silberrücken-Runden ist zum Glück vorbei.

Dann kommt der Tag der Veranstaltung. Worauf kommt es hier an?

Gute Laune und Präzision! (lacht) Jetzt hängt viel an der Moderation. Das ist immer eine Gratwanderung zwischen dem größtmöglichen Spielraum für die Beteiligten und der mindestnotwendigen Führung hinsichtlich Agenda und Zielen. Aber auch Erwartungsmanagement ist gefragt: Wenn zum Beispiel der Ruf nach „mehr Evidenz“ – also neuen Studien – laut wird, sollte hier unmittelbar eine realistische Einschätzung erfolgen. Zusammengefasst heißt das: Neben einer guten Vorbereitung gibt es eigentlich nur Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Das ist live on stage.

Live ja, aber häufig auch virtuell – geht das eigentlich?

Grundsätzlich: Ja. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit, Workshoptechniken in Remotekonferenzen zu integrieren. Brainstorming und Pinboards, Breakoutsessions und Shared Files – das alles lässt sich auch online realisieren.

Selbstverständlich ist die Qualität der Kommunikation eine andere. Der Smalltalk in der Kaffeepause, das Augenzwinkern über den Konferenztisch hinweg – das ist unglaublich wichtig und fällt remote einfach weg. Umso wichtiger ist es, als Moderatorin auch online Brücken zu bauen und Nähe zu schaffen. Und natürlich im Vorfeld gut abzuwägen, ob und wie ein Präsenztreffen nicht auch möglich ist.

Ein Abschlusswort zur Moderation: Wie beschreibst Du Deine Aufgaben?

Eine medizinische Diskussionsrunde ist wie eine Seereise, und ich als Moderatorin bin alles in einem: Nautikerin, Kapitänin, Steuerfrau, Lotsin und Smutje. Ich plane die Route, trage die Verantwortung, umschiffe die Klippen und sorge dafür, dass alle an Board sich wohl fühlen. Zwar führe ich keine Trauungen durch, aber ich kann neue Allianzen schmieden! Meine Kund:innen sind in diesem Bild die Reeder. Und dass ihr Schiff sicher in den vereinbarten Zielhafen einläuft, dafür bin ich verantwortlich.

Dann bleibt mir nur noch, Dir allzeit eine frische Brise zu wünschen – herzlichen Dank, Anke